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Dieses Tourtagebuch mit dem wunderbaren Titel "Die schöne und
aufregende Reise durch die Deutschen Lande" ist eine Fiktion. Personen,
Orte und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden
Personen, Orten und Handlungen sind rein zufällig.
Verstanden?
Dann kann´s ja los gehen.
Wir fahren um 10 uhr morgens los. Natürlich wird es wieder halb
Zwölf, weil ein gewisser Herr, dessen Namen ich hier nicht nennen
möchte erst einmal einen anbauen muß, dann muß er noch
duschen und sich die Zähne putzen. Dann hat er die Platten nicht
richtig sortiert, dann fällt ihm ein, daß er die Türe
nicht richtig abgeschlossen hat, die Katze noch rein muß und seine
Mutter den Wohnungsschlüssel braucht - wegen der Katze. Schließlich
fahren wir aber doch. Auf der Autobahn stellen wir fest, daß unser
Auto säuft wie ein Loch und höchstens 120 fährt. Irgendwas
an den Zündkerzen meint der Mechaniker, doch jetzt ist es zu spät.
Im Schneckentempo und mit diversen Tankstops verläuft die Fahrt einigermaßen
ruhig. In Kulmbach verabschiedet sich ein gewisser Herr, dessen Namen
ich hier nicht nennen möchte kurz mit den Worten, daß er mal
austreten müsse. Ok, ist ja nichts dabei. Nach 20 Minuten Austritt
allerdings, beginnen wir uns Fragen zu stellen.
Jack Orsen, der Rap Roboter aus der Zukunft begibt sich auf die Suche
nach dem verlorenen Sohn und kommt nach 10 Minuten erfolglos wieder. Irgendwie
werden wir nervös. Man kennt ihn ja. Wahrscheinlich hat er beim Pissen
irgendeinen bayerischen Hopfenbauern angesprochen, wahrscheinlich mit
den Worten: Traaauuuuääärr. Kein Wunder, daß ihr
alle BSE-verseucht seid mit solchen Schwänzen. Der Bauer dann, ohne
viel Federlesen packt unser Sorgenkind am Hals und zwingt ihn aus der
Toilettenschüssel zu trinken. Zett (oh Verzeihung) versucht sich
zu wehren, bekommt dabei aber einen unglaublichen Juckanfall an seinen
Füßen, was ihn schon als Kind gequält hat und kollabiert.
Wir machen uns ernsthaft sorgen und wissen ehrlich gesagt nicht, wo wir
noch suchen sollen. Da, mit einem mal und als ob nichts gewesen wäre,
als ob das die natürlichste Sache der Welt wäre, schlendert
ein gut gelaunter DJ auf uns zu und schwenkt freudig ein Pornoheft.
"Mann Zett, wir haben es echt eilig."
"Trauäärr. Wir kommen doch sowieso zu früh."
"Mann wir sind jetzt schon 5 Stunden zu spät. Das schaffen wir
nie."
"Wir sind noch nie zu spät gekommen und dann sitzen wir wieder
in so einem beschissenen Backstage rum."
"Mann kannst Du nicht verstehen, daß wir einigermaßen
pünktlich sein wollen?
"Pünktlich, pünktlich. Wenn ich das schon höre. Pünktlich.
Ich hasse pünktliche Menschen. Ich war schon immer unpünktlich
und ich bin stolz darauf unpünktlich zu sein."
"Aber kuck mal. Wir sind zu viert und du bist der einzige, der hier
immer Zicken macht."
"Na und. Ich bin stolz drauf, daß ich unpünktlich bin.
Das sind 10 Minuten. Du kannst mir nicht erzählen, daß wir
wegen meinen 10 Minuten zu spät kommen."
"Das sind immer nur 10 Minuten. 10 Minuten hier. 10 Minuten da. Du
bist ein beschissener Egoist, der immer alles anders machen muß."
"Na und. Ich bin stolz drauf, daß ich unpünktlich bin.
Ihr seid doch die wahren Egoisten. Ihr glaubt ja, daß Eure Meinung
die wichtigste ist."
"Mann halt jetzt endlich die Fresse, du Versager."
"Wer ist denn hier der Versager. Ich bin stolz drauf, daß ich
unpünktlich bin. Du aber kannst gar nichts, außer fahren und
pünktlich sein. Du kannst gar nichts."
Plötzlich schwappt eine rote Welle über meinem Kopf zusammen. Von hinten nach vorne wird mir plötzlich unheimlich heiß und ich verwandle mich in einen BSE verseuchten bayerischen Bauern, der die bebrillte Person mit dem Basecap am Hals packt und mit der anderen Hand zuschlagen möchte. Die Person wehrt sich und schreit: "Ich hasse Dich. Ich hasse Dich." Und plötzlich kann ich ansatzweise meinen Freund Fuat verstehen, der dieser bebrillten Person auf einer anderen Fahrt einmal eine Seltersflasche auf dem Knie zerschlagen hat. Aus bloßer Wut. Ich lasse los.
"Los, lass uns weiterfahren, wir kommen sowieso schon zu spät."
"Wir sind noch nie zu spät gekommen. Ich hasse Pünktlichkeit.
Ich bin stolz darauf, daß ich unpünktlich bin..."
"Halt die Fresse Du Spast."
Die nächsten 50 Kilometer sagt niemand ein Wort.
Als wir bei Passau sind gibt es einen leichten Stau. Lange Karawanen
von Treckern versperren die Autobahn. Anscheinend reisen die ersten CSU
Nazis für den politischen Aschermittwoch an. Da die Nibelungenhalle
nur begrenzt aufnahmefähig ist, muß man sich schon früh
auf den Weg machen, um noch einen Platz zu bekommen. In weiß-blau
karierte Tücher gewickelt sitzen ganze Familien auf so einem Tracktor,
verspeisen unablässig gigantische Würste und schlagen sich gegenseitig
auf die Lederhosen. Irgendwie wirkt das ganze sehr gespenstig in der nun
einsetzenden Dämmerung und wir sind froh als wir Passau passiert
haben und die Karawane hinter uns liegt. Ein rotgesichtiger Bayer mit
Gamsbart am Jägerhut wirft uns noch einen Rinderkopf hinterher. Das
Gehirn des toten Tieres spritzt auf unsere Heckscheibe und wir erkennen,
daß die Bayern mit ihren verseuchten Rindern gerade im Besitz einer
der gefährlichsten biologischen Waffen der Welt sind. Man stelle
sich vor, die schiessen mit ihren Rinderhirnen auf unsere Städte.
Vielleicht sollte die UNO mal über ein Embargo nachdenken.
Wir kommen an die Grenze.
Misstrauisch beäugt der Grenzer unsere Papiere. Nach endlos langen
Sekunden, in denen wir Zett den Mund zuhalten, gibt er uns unsere Pässe
wieder zurück und winkt uns nachlässig durch. Hinter uns startet
ein Motor und eine schwarze Limousine heftet sich an unsere Stossstange.
Wir werden offensichtlich beschattet und anscheinend will man, daß
wir es merken.
Ungefähr auf der Höhe von Linz bekommen wir Hunger. Auf einem
Rastplatz steht ein einsamer Imbiss. Das Angebot ist eher spärlich.
Riesige Würste, die vor Fett glänzen werden angeboten. Als wir
nach so etwas wie Salat fragen meint der Imbissmann: "Jo eh kloa.
Fleischsolot hob i do." "Nein, haben Sie vielleicht nicht etwas
Vegetarisches." Da fängt der Mann zu lachen an. Es ist ein tiefes,
fröhliches Lache, das direkt aus dem Bauch kommt. Tränern kullern
ihm über die roten, feisten Wangen. "Vegetarisch?!?" Röhrt
es aus ihm Heraus. "Brotene Erdäpfeln könnts hobn. Mit
Speck." Und wieder lacht er. Sein Bauch hüpft. Wir gehen und
steigen hungrig in unsere Schrottkiste. Hinter uns hat der Fahrer der
Limousine seinen Wagen laufen lassen. Beunruhigend brummt der Motor und
von ferne dröhnt das Lachen des Imbissmanns.
Wir erreichen Wien.
Etwas irritiert durch die vielen Ringe aus denen Wien aufgebaut ist verfahren wir uns natürlich. Wien hat nämlich die Eigenschaft, daß mehrere Ecken genau gleich aussehen und man das Gefühl bekommt, daß ganze Strssenzüge hin und hergeschoben werden nur, um den Fremden zu verwirren. Kreisverkehre geben uns den Rest und hinter uns immer noch die schwarze Limousine. Irgendwann werde ich wütend. Schon zum x-ten mal passieren wir ein Haus, das etwas markanter ist, aber danach sehen die Strassen wieder alle gleich aus und es sieht so aus, als ob wir ständig im Kreis fahren. Ich schlage auf mein Lenkrad. Ich brülle. Alle anderen schauen betreten zur Seite. Ich hole aus und schlage mit der Rechten ganz sachte gegen die Windschutzscheibe. Wirklich ganz sachte. Sie springt. Meine Wut verraucht. Ich lache künstlich. Den Weg finden wir trotzdem nicht.
Irgendwann reicht es mir und ich stoppe den Wagen. An einer Tanlstelle steige ich aus und frage den Tankwart nach der Goldschlagstrasse. "Woinszumöaemtece?" "Wie bitte?" "Woinszumöaemtece?" "Also ich suche die Goldschlagstrasse." "Jo.Woinszumöaemtece?" "Ich weiß nicht. Also wir suchen einfach nur die Goldschlagstrasse." "Jo eh kloa. Woinszumöaemtece?"
Irgendwie haben wir ein Verständigungsproblem. Dieser Tankwart und
ich. Lächelnd sitzt er hinter seinem Schalter. Ein dicker, zufriedene
Mann. Vor ihm seine Jausen, die aus einer riesigen Wurst besteht mit ein
ganz klein wenig Brot. Eine österreichischer Buddha. Zufriedenheit
und Behaglichkeit strahlt er aus. Aber was heißt "Woinszumöaemtece?"?
Alibimäßig greife ich nach einem Schokoriegel und murmle "Schon
gut. Ich nehm das hier." Lächelnd nimmt er mein Geld in Empfang
und gibt mir raus. Beim hinausgehen sehe ich, wie sich der Tankwart in
der Fensterscheibe spiegelt. Mit großem Appetit nimmt er seine Riesenwurst
und schiebt sie sich in seinen weit geöffneten Mund. Es knackt als
die Pelle platzt. Ich sehe wie das Fett spritzt und wie ein ziemlich großer
Tropfen das breite Kinn des Tankwarts herunterläuft. Mit dem Handrücken
wischt er sich darüber. Zufrieden, lächelnd kaut er. Ich verlasse
die Tankstelle.
Beim Hinausgehen bemerke ich wieder die schwarze Limousine. Na gut denke ich mir. Wenn der schon mal da ist, dann kann er uns ja auch helfen. Entschlossen gehe ich auf das Fahrzeug zu. Ein blauer FPÖ Wimpel hängt am Rückspiegel. Ich klopfe an das Seitenfenster.
Natürlich hat der Typ einen Schnauzer. So einen dichten braunen und die Haare sind vorne kürzer als hinten. Der Typ ist ziemlich blass und neben ihm auf einem Pappteller liegt eine Wurst, aus der wie Eiter Käse läuft. Der Typ schluckt und läßt das Fenster herunter. Fett tropft ihm vom Kinn, das er mit seinem Handrücken wegzuwischen versucht. Jetzt glänzt das ganze Kinn.
"Hallo! Schön, daß Sie sich um uns kümmern. Wir
wollen zur Goldschlagstrasse." frage ich und zucke zusammen als ich
die Gegenfrage höre: "Woinszumöaemtece?" Was um alles
in der Welt soll das bedeuten?
"Also" fange ich an, "Sie fahren uns ja bestimmt nicht umsonst hinterher und wissen genau worum es geht. Wir würden gerne zu einem Lokal gehen, das Weberknecht heißt und in dem heute abend ein Hip Hop Konzert stattfinden soll. Wir suchen die Goldschlagstrasse."
"Do kenn i mi netaus." Und der elektrische Fensterheber wird
betätigt und die Scheibe schiebt sich nach oben. Jetzt sitzt er wieder
in seiner Ruhe und ich starre verdutzt auf seinen bemerkenswert kleinen,
blassen Kopf mit den braunen Haaren und spüre wie sich eine rote
Welle von meinem Gesäß aus den Rücken hoch wälzt,
mit einer unglaublichen Hitze. Über meinem Kopf bricht die Welle
und schwappt als roter Teppich über meine Augen zusammen. Wie aus
weiter Ferne höre ich jemanden brüllen. Auf einen kleinen, bleichen
Mann mit Schnauzbart einbrüllen und fast ein Auto treten, sich im
letzten Moment beherrschen und stattdessen mit der flachen Hand auf ein
Seitenfenster schlagen. "Du Votze, was bildest Du Dir eigentlich
ein Du beschissener kleiner Nazi. Du Stümper. Du Handlanger. Du Mißgeburt."
Und im innern des Wagens sitzt ein kleiner, blasser Mann, der mit leeren
Augen nach draußen schaut und mit einer abwesenden Geste nach seiner
Wurst greift, von der er knackend und fettspritzend einen Bissen abbeißt.
Mechanisch fängt sein Mund an zu kauen er schluckt und wieder wandert
die Wurst in Richtung Mund.
Das reicht. Ich gehe zurück zu unserem Auto und setze mich hinein. Zu allem Überfluss muß ich mir jetzt auch noch von meinen Kollegen anhören, daß ich mich nicht beherrschen könne und daß es fast schon peinlich sei, wie ich mich gehen lassen würde. Was soll ich dazu sagen?
Wir fahren los. Schweigend halte ich nach irgendeinem Anhaltspunkt Ausschau
und bin froh, als ich endlich eine Informationssäule mit Stadtplan
entdecke. Mit sehr viel Glück entdecke ich dann auch die Goldschlagstrasse
und Savas findet auch den verloren geglaubten Zettel mit der Mobilnummer
des Veranstalters wieder. Und so finden wir dann auch die Goldschlagstrasse.
Am Anfang der Goldschlagstrasse entdecke ich dann auch ein Schild des österreichischen Automobilclubs ÖAMTC und so einiges wird mir in diesem Moment klarer. Ich liebe diese Art der Erleuchtungsmomente.
Ab Mitte der Goldschlagstrasse wird ein Fortkommen schwieriger. Menschen
blockieren die Strasse und ein großer Lastwagen steht am Rechten
Fahrbahnrand von dem aus die Band Schönheitsfehler ein Konzert gibt.
Irgendwie erinnert mich das an die Toten Hosen. Die hatten einmal in Stuttgart,
nach einer eigenen Show, für die bereits angereisten Fans von Guns
n Roses, die am nächsten Tag ein Konzert geben sollten, eine kleine
Lastwagenshow veranstaltet. Campino mit einem Megafon und die anderen
mit Akustikgitarren. Der einzige Unterschied zu diesem Spontanauftritt
war, daß sich damals die Menschen um den Tote Hosen Lastwagen drängten,
während hier niemand wirklich Notiz davon nimmt. Die angereisten
Antifaleute können mit sogenanntem Hip Hop sowieso nichts anfangen
und wer sich ernsthaft für Hip Hop interessiert, interessiert sich
zwangsläufig eben nicht für Schönheitsfehler.
Um nicht aufzufallen parken wir unser Auto und steigen aus. Eben kommt im Sturmschritt ein schwarzer Block vorbei und schreit: " HOCH _ DIE _ INTER NATIO NA LE SOLI DARI TÄT - HOCH _ DIE _ INTER NATIO NA LE SOLI DARI TÄT" Natürlich schreien wir mit. Untergehakt von mehreren Demonstranten werden wir mitgezogen. Plötzlich stoppt der Zug. Auf dem Lastwagen wurde der sowieso nicht beachtete Auftritt von Schönheitsfehler abgebrochen und ein Redner schiebt sich ans Mikrofon.
Braungebrannt, mit einem strahlenden Siegerlächeln, angezogen mit
einem Lodenjanker und versehen mit einem Kärntner Dialekt steht er
da und erhebt die Stimme:
"Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger. Erst einmal möchte
ich im Namen der österreichischen Regierung meinen Dank aussprechen,
daß Sie so zahlreich erschienen sind. Ihr Erscheinen zeigt mir und
der Regierung dieses Landes, daß die Selbstreinigungsfähigkeit
des Österreichischen Volkes noch nicht erlahmt sind. Daß die
Hygienefähigkeit in unserem Volk noch funktioniert, das erfüllt
mich mit Freude und Stolz. Meine Damen und Herren im Namen der Regierungsparteien
möchte ich Ihnen hiermit unsere vollste Unterstützung und Solidarität
zukommen lassen.
Schon einmal standen die Türken vor Wien und belagerten unsere Gemeinschaft,
unsere Werte und bedrohten unsere Kultur. Damals kamen die Türken
von Süden, zu Pferd und mit dem Schwert. Heute wird unsere Gemeinschaft
wieder von einem Türken bedroht, der heute allerdings aus dem Norden
anreist, aus Berlin, dieser schrecklich verwahrlosten und überfremdeten
Stadt, die einstmals ... na gut lassen wir das. Aus Berlin kommt diese
neue Gefahr und nicht mit dem Schwert, nein mit etwas viel perfiderem,
etwas, was die Gedanken unserer Kinder angreift, was ihre Gehirne zersetzt,
was uns von innen her aushöhlt und zerstört. Mit Musik - mit
Negermusik greift diese neue türkische Gefahr unsere Gemeinschaft
an und ich bin dankbar, daß sich hier deshalb auch so viele eingefunden
haben, um dieser Gefahr zu trotzen. Über alle politischen Lager hinweg,
über alle Barrieren hinweg haben sich heute Abend Leute eingefunden,
um das, was uns heilig ist, zu verteidigen. Wir wollen keine schmutzige
Musik, sogenannte provokative Texte brauchen wir nicht. Wir wollen wahre
Kunst. Wir wollen saubere Musik. Wir wollen echte Kultur. Für ein
gesundes Österreich, für eine gesunde Jugend. Vielen Dank."
Fassungslos starre ich auf das Rednerpult. Eigentlich erwarte ich, daß die Sturmhaubenträger links und rechts jetzt loswüten, Steine nehmen und den Redner von der Bühne jagen. Ihn anspucken, schlagen, steinigen. Doch nichts passiert. Zaghaft meldet sich der erste Klatscher aus einer der hinteren Reihen und nach und nach fallen die anderen in den Applaus mit ein, der sich zu einem frenetischen Jubel hochschaukelt.
Auf dem Lastwagen wird eine Platte aufgelegt und knisternd ertönt die erste Strophe der Internationalen: "wacht auf verdammte dieser erde, die stets man noch zum hungern zwingt ..." wir singen so gut wir können mit und versuchen uns dann bei : ".... die in _ ter natio na ha le, er kämpft das men schen recht!" aus dem Staub zu machen. Langsam kämpfen wir uns in Richtung dem Veranstaltungsort durch, der von einer Schar wütender Protestanten belagert wird.
Am Rande des Geschehens entdecke ich den Übertragungswagen des österreichischen Jugendradios FM4 und erkenne Martin Blumenau, der lässig an die Wand des Autos gelehnt steht, wie er sich mit einer ungefähr 16-jährigen blonden Rastafrau unterhält. Das Mädchen scheint schon ziemlich angetrunken zu sein, ihr olivgrüner Parka hängt ihr nur noch über eine Schulter und der Träger ihres ausgeleierten, grau verwaschenen Unterhemdes ist ebenfalls verrutscht. Sie schwankt leicht und muß sich des öfteren mal an Martin Blumenau festhalten, der dies bereitwillig zuläßt, nebenbei aber eine Käsekreiner verschlingt. Fest knackt die Pelle, wenn er in die Wurst beißt und der Fleischsaft spritzt der jungen Demonstrantin auf den Parka. Fett tropft dem Herrn Blumenau vom Kinn. Mit dem Handrücken wischt er sich darüber und verreibt so einen schmierigen Film über die gesamte untere Mundpartie. Die 16jährige scheint das nicht zu stören. Mit glasigem Blick starrt sie auf das Aufnahmegerät des Herrn Blumenau, auf dem groß das Logo von FM4 prangt. Als wir nahe genug an den beiden vorbei gehen, höre ich wie sie mit schwerer Zunge fragt "und du maanst i konn donn bei Aich a Praktikum mochn?" Gönnerhaft wirft sich Herr Blumenau in die Brust und streichelt dem Mädchen über die freigelegte Schulte und den freigelegten Hals: "Jo eh kloa. Wenn a bissl nett bist zu mir, donn konn i do scho wos mochn." Debil lächelt sie ein wenig, da klingelt sein Handy: "Blumenau ... Naa des is doch kaa Gschicht für uns. ... I bin do grod bei dieser Tschuschn Kool Savas. Na da is bis jetzt no nix passiert. ... Na die Piefke san no goa net do. Die hom Schiss kriagt ... Jo .... Baba." Anscheinend wurde unser Eintreffen also noch gar nicht bemerkt.
Eine neue Welle im Demonstrationsblock erfasste uns und trägt uns
genau vor den Haupteingang. Dort keilen sich ein paar Antifas mit ein
paar Hip Hoppern, die den Antifas verzweifelt zu erklären versuchen,
daß man sich ja eigentlich zusammentun sollte, um gemeinsam einen
echten Gegner zu schlagen. Aber so wie es aussieht, können die Antifas
wohl von ihrer einmal eingeschlagenen Argumentationsschiene nicht mehr
abweichen. Plötzlich tut sich im Gewühl eine kleine Lücke
auf, durch die wir durchschlüpfen können. Nun stehen wir also
auf der anderen Seite und Savas wird erkannt. Pfiffe werden laut. Eine
Frau schlägt auf die Luft vor sich ein und schreit die ganze Zeit:
"Du Schwein." Endlich verschwinden wir in der Location.
Drinnen erfahren wir, daß wir im falschen Club sind. Der Weberknecht
hat ebenfalls vom Hausrecht gebrauch gemacht und die Veranstaltung in
seinen Räumen untersagt. Ziemlich unfreundlich kommt ein großer,
stämmiger Mann im Holzfällerhemd auf uns zu und erklärt
uns, daß wir hier nicht erwünscht sind. Unfreundlich aber bestimmt
weist uns der Sozialarbeiter die Tür. Wir stehen noch im dunklen
Eingangsbereichs des Flures und wollen uns eigentlich weigern, zu gehen.
Auf eine Handbewegung des Chefs hin, erscheinen 2 ebenfalls große
und doppelt so stämmige Security Leute, beide in nachtblauer Kampfmontur
und schieben uns mit aggressivem Druck hinaus. Die Tür öffnet
sich. Ein gleißender Scheinwerfer erhellt die Szene. Geblendet starren
wir in Richtung der tobenden Masse vor uns.
Hinter uns fällt die Tür ins Schloss.
Alles ist still.
Wir sind allein.
Im Vorfeld unserer Wien Reise gab es ja jede Menge Probleme.
Die Rosa Antifa Wien RAW! (uh wie gefährlich) hat unseren Newsletter
abonniert und wird auf diesem Weg genauestens über neue Ausweichorte
informiert. Die letzte Verlegung stelle ich aus diesem Grund eben nicht
mehr ins Netz, auch weil der Veranstalter mir zugesichert hat, daß
der neue Ort nur 20 Kilometer von Wien entfernt liegt und dass Posten
vor den Sofiensälen aufgestellt seien, die willige Besucher dann
zur neuen Location umleiten würden.
Soweit so gut. Wir kommen auch relativ früh los, haben ein Auto gemietet,
weil schließlich ist die Stadt an der Donau ja auch extrem weit
weg und eigentlich sind solche Strecken echt Abturn. Zett macht die üblichen
Faxen, aber eigentlich verläuft alles ohne größeren Probleme.
Kein Streit bei Kulmbach, kein plötzliches Verschwinden einer bestimmten
Person und keine lange Warterei. Bei Passau gibt es weder Bauernproteste
noch CSU Aufmärsche und wir nähern uns unbehelligt der österreichischen
Grenze. Da, plötzlich taucht ein Jeep vor uns auf, der im Heckfenster
ein kleines rotleuchtendes Schild kleben hat: "Stop! Polizei! Bitte
Folgen!" Na dann. Zett hat glücklicherweise nichts dabei und
sonst stimmt eigentlich auch alles. "Guten Abend." "Gudnobend.
DiaAusswaisseBidscheen." Ah die Ausweise will er. Kein Problem.
"Jack deinen Ausweis."
"Meinen Ausweis?"
"Ja deinen Ausweis. Pass."
"Ich habe keinen Ausweis."
"Was. Aber wir fahren doch ins Ausland. Da braucht man doch einen
Pass."
"Ich wusste nicht, dass wir ins Ausland fahren."
"Wo hasst du denn gedacht, dass Wien liegt."
"Hab ich nicht dran gedacht."
Langsam geht der Bulle um den Wagen herum.
"Siehom olso kaan Auswaiss dabei."
"Nein. Also meinen Pass habe ich zu Hause vergessen."
"jo. Ober do furne is jo die Gränzn un wenn si do so onkommen,
do stäht jo füllaicht da Gendarm un do kimmens donn nimma weida
un där schickt´s jo wieda zruck. Do kimmans so net noch Öschterreich
eini. Is des ihna klor?"
Jack schweigt und guckt.
"Is des Ihna klor?"
"Also wenn ich ehrlich bin. Ich habe gerade kein Wort verstanden."
Es ist so. Ich will nicht lachen. Ich denke mir. Diese beschissenen bayerischen Polizisten haben heute Abend nichts vor. Wenn die Lust haben, dann lassen die uns einfach den ganzen Wagen ausräumen, die Hosentaschen umkrempeln und dann schleppen die uns mit aufs Revier. Dann machen die noch irgendwas erkennungsdienstliches und lassen Jack wegen seiner griechischen Herkunft wieder nach Hause fahren. Illegale Einwanderung, Verletzung der Ausweispflicht etc, etc. Vielleicht hat dann Zett doch noch einen Krümel Grass dabei und dann sind wir richtig gefickt. Ich darf nicht lachen. Ich darf nicht.
Ich lache. Savas kommt von hinten und versucht zu retten, was zu retten ist. Anscheinend hat er den Grenzer verstanden und übersetzt für Jack. Der muss dann seinen Namen und seine Adresse aufschreiben und das ganze wird dann überprüft. Anscheinend stimmt alles, denn nach 10 Minuten haben wir alle unsere Papiere wieder und wir dürfen weiterfahren.
"Gudnobendundnoascheenfohrt."
"Was hat er gesagt?"
"Nichts Jack ich glaube er hat nur gerülpst."
"Das heißt aber irgendwas bei denen. Auf Hundert Pro. Die sprechen
so. Das hat irgendeine Bedeutung bei denen."
"Vielleicht".
Aus Angst, dass der bayerische Polizist seinen österreichischen Kollegen Bescheid sagt, damit diese uns kontrollieren sollen, fahren wir von der Autobahn ab und nehmen einen Grenzübergang, der etwas abseits liegt. Leider kommen wir hinter der Grenze nicht mehr auf die Autobahn zurück und fahren irgendwie auf verlassenen Landstrassen durchs schöne Oberösterreich, von dem wir aber nicht allzuviel mitkriegen, weil es schon dunkel ist.
Irgendwann sind wir dann zurück auf der Autobahn und in der richtigen Richtung. Wir passieren Linz und da taucht auch schon das Schild St. Pölten auf. St. Pölten dieser anscheinende Vorort von Wien soll der neue Auftrittsort sein. Als wir in St. Pölten von der Autobahn abfahren sind es noch 60 Kilometer bis Wien und irgendwie beschleicht uns das Gefühl, dass es sich bei St. Pölten nicht unbedingt um einen Vorort handelt. Irgendwie scheint es sogar eher so zu sein, dass es sich bei St. Pölten um eine eher ländliche Gegend handelt und Wien ungefähr soweit weg ist wie Berlin von Hamburg.
Trotz allem gibt es auch dort einen Mc Donald´s, obwohl ich eigentlich lieber eine schöne Käsekrainer haben würde. Vor dem Mc sind wir mit MC Donauwelle verabredet, der das ganze organisiert hat und uns aber noch geschlagene 15 Minuten warten lässt. Endlich gefunden, fahren wir dann per Konvoi zum Auftrittsort. Wir fahren vorbei am Bahnhof von St. Pölten, der Stadtkirche, dem Dorfgasthaus. Links abgebogen kommen wir in eine Art Industriegebiet bis wir dann den Stadtrand von St. Pölten erreichen. Wir lassen die Stadtgrenze hinter uns und fahren nun über offene Felder. In einem Dorf angekommen, biegen wir dann der Hauptstrasse folgend ab und sind gleich darauf wieder auf offenem Feld. 2 Dörfer weiter sieht es so aus, als ob wir angekommen wären. Zumindest hält und schaut der Wagen vor uns, aber anscheinend haben wir uns nur verfahren. Deshalb zurück. Einen anderen Dorfeingang genommen und dann sind wir endlich da.
Ok. Die Sache ist die: Savas wird gebucht für ein Konzert in WIEN.
Irgendwie gibt es Schwierigkeiten. Die Veranstalter bleiben aber hartnäckig
und wechseln die Location. Zum Schluss wird uns mitgeteilt, dass das Konzert
in einem Vorort von Wien stattfindet. Ok, denken wir und fahren los.
Jetzt stehen wir in einem Kaff, 3 Dörfer entfernt von einer mittleren
Kleinstadt, die kein Vorort von Wien sondern 60 Kilometer von Wien entfernt
ist.
Insgesamt braucht man von dort, wo wir jetzt sind, gute eineinhalb Stunden
nach Wien, das heißt wir sind am Arsch der Welt.
Etwas frustriert steigen wir aus, doch die Veranstalter scheinen bester
Laune zu sein. Zumindest lachen und strahlen sie übers ganze Gesicht
und bitten uns herein in die Location, die CAVE heisst.
Im ersten Stock gibt es eine Chillecke für uns und die Freundin von
Dauerwelle hat für uns einen Spinatstrudel gebacken, der von uns
fälschlicherweise als Börek bezeichnet wird. Na gut, dann halt
Spinatstrudel, aber eigentlich nur der Beweis, dass die Österreicher
krass mit den Türken verwandt sind. Nicht wahr Herr Haider?
Gut. Das Essen war gut, die Menschen freundlich und wir kommen ins Gespräch mit K. und V. Jack macht grossen Eindruck auf die Damen nur dass er nicht tanzen möchte stimmt sie verdrießlich. Ich dagegen betone, dass ich eigentlich sehr gerne tanze, aber ein Problem habe: "Immer, wenn ich mit einer Frau tanze, bekomme ich eine Erektion." Da schlägt V. die Augen auf, leckt sich die Lippen und fragt mit rauchiger Stimme: "Wirklich immer?". Dann nimmt sie meine Hand und führt mich ohne ein weiteres Wort nach unten auf die Tanzfläche.
Ich spüre, wie sie anfängt sich im Takt der Musik zu bewegen und spüre, wie sich ihre Brüste gegen meinen Brustkorn drängen. Meine Hose beult sich aus und ich versuche krampfhaft so seitlich wie möglich zu tanzen, damit sie nur meine Hüfte zu spüren bekommt. Aber das will sie gar nicht spüren sondern etwas ganz anderes, was mich derartig verwirrt, dass ich mich nach 2 Musikstücken entschuldigen und mir im Badezimmer kaltes Wasser ins Gesicht kippen muss. Schließlich bin ich ja verheiratet... ich drehe mich um. V. steht in der Badezimmertür, die eine Hand am Türrahmen, die andere Hand auf die wiegende Hüfte gestellt. "Na Kleiner. Heiß hier?" raunt sie und panisch blicke ich mich nach einem Fluchtweg um. Es gibt keinen und langsam merke ich wie mein Gehirn nach und nach aussetzt und eine andere Körperregion die Kontrolle zu pbernehmen beginnt. Langsam schiebe ich mich nach vorne und ebenso langsam nähert sich V. Sachte heben sich meine Hände in Richtung ihrer Brüste, da platzt auf einmal Zett herein und brüllt:
"TRAAAAUUUUÄÄÄÄÄRRRR! Die haben hier nur
ein Mic."
"Oh hallo Zett. Wie geht´s?"
Zett mag ja irgendwie unsensibel und ungehobelt sein. Blöd allerdings ist er nicht.
"Staiger. Was machst Du denn da? Aha, aha, was muss ich denn da
sehn?"
"Nichts. Was siehst du denn hier? Alles normal."
Und glücklicherweise erreicht nun wieder etwas Blut mein Gehirn
und die Vorstellung, dass Zett, die alte Plaudertasche mich entdecken
hätte können reicht aus, dass ich mich von V. mit einem galanten
Handkuss verabschiede und mich für den schönen Tanz bei ihr
bedanke.
Verdutzt schaut sie uns nach, wie ich dem laut schimpfenden Zett folge
und seinen Ärger über die fehlenden Mikrophone teile.
Vom Konzert an diesem Abend bekomme ich ehrlich gesagt gar nicht so viel mit, obwohl um die 300 Leute den Weg in diese Einöde gefunden haben und die Stimmung sehr gut gewesen sein soll. Mir taten schlich und einfach die Eier weh und ich war froh dass es bei MC Dauerwelle zu Hause eine kalte Dusche gab.
"Ich bin müde. Ich weiß nicht, aber in letzter Zeit schlaucht mich die Arbeit richtig. Ich meine nicht so, dass ich wirklich keine Lust mehr drauf hätte, aber ... na ja. Urlaub wäre nicht schlecht. Irgendwie fühle ich mich ausgebrannt und ausgelaugt und ich bin froh, wenn ich den Laden hinter mir zuschließen kann. Scheiße jetzt ist es schon wieder dunkel und dabei war es doch heute anscheinend so sonnig. Na ja, hoffentlich hatten meine Frau und die Kleine ihren Spaß. Vielleicht waren sie am Planschbecken im Park. Mann, Mann, Mann, ich sollte mir echt mehr Zeit nehmen. Irgendwann ist die Kleine erwachsen und dann? Dann gibt es Stress und Streit und dann zieht sie aus und man hat eigentlich alles verpasst, was schön hätte sein können. Stattdessen sitze ich in meinem Loch, vor einem Bildschirm und kriege nicht mal mit, ob der Himmel blau oder grau ist. Das ist doch echt ein Scheiß Leben. Morgen nehme ich mir Zeit. Auf jeden. Morgen gehe ich mit meiner Tochter in den Park und setze mich ganz einfach auch mal in die Sonne. Scheiß auf die Arbeit. Einfach so. Das ist gut. Das ist eine sehr gute Idee. Das gefällt mir. Da fühlt man sich doch gleich besser. Außerdem ist der Tag ja nicht vorbei. Oder? Vielleicht trinke ich heute Abend mit meiner Frau noch ein Bier auf dem Balkon. Ich liebe diese lauen Sommerabende. Wirklich. Eigentlich liebe ich die sogar noch mehr, als die heißen Tage, weil alles so riecht. Hier im Park. Die Bäume duften und es riecht irgendwie, wie in meiner Kindheit. Eigentlich möchte man an so einem Abend gar nicht nach hause gehen sondern mit seiner Frau um die Häuser ziehen. Einfach so. Mal wieder in eine Bar, mal wieder tanzen und Caipirinhas trinken. Mal wieder so lange auf dem Bordstein sitzen bis die Sonne wieder aufgeht und dann mit dem leichten Summen im Kopf kurz schlafen gehen, um dann am nächsten Tag zum See zu fahren. Alles wird leicht im Sommer. Man braucht keinen Schlaf. Im Sommer ist Schlafen Sünde und man kann die Tage fast trinken. Das Gras ist dicht und fest unter meinen Füssen und der Kies auf dem Parkweg knirscht. Eigentlich könnte es regnen, bald. Eigentlich müsste ein Wolkenbruch diese drückende Schwüle wegwaschen und dann würde alles noch ein wenig stärker duften. Am Himmel zuckt es schon. Ein Wetterleuchten. In Sankt Petersburg geht an solchen Tagen die Sonne gar nicht unter. Die weißen Nächte nennen sie das. Das will ich eigentlich auch gerne mal sehen. Scheiße. Schon wieder diese Typen. Nur nicht anschauen. Die haben gestern schon so Bemerkungen gemacht. Warum müssen diese Vollidioten auch hier rumsitzen. Scheiße. Warum bin ich nicht außen herumgegangen. Die waren doch gestern schon hier. Bloß jetzt nicht weglaufen. Mann und das mitten im Park. Bleib einfach ruhig. Vielleicht wollen sie ja gar nichts von mir. Scheiße, warum steht der eine denn auf. Mann hoffentlich geht der einfach vorbei. Bitte lass ihn doch einfach vorbeigehen. Ich gehe einfach weiter. Ich schaue sie nicht an. Ich lass mich nicht provozieren. Ich gehe einfach weiter. "HE DU!" Ich gehe weiter. Lasst mich doch einfach weitergehen. "HE DU. ICH REDE MIT DIR!" Aber ich nicht mit Dir. Bitte. Ich will doch eigentlich nur nach Hause. Warum habe ich diesen Weg genommen. Scheiße. Er steht vor mir. "HE DU ARSCHLOCH. ICH HABE DICH WAS GEFRAGT." Ich schaue nach oben er schlägt mir auf die Brust. Seine Freunde stehen ebenfalls auf. Ganz langsam erheben sie sich von der Parkbank. Der eine klopft sich seine Hose ab. "HE DU WICHSER. BISTE TAUB ODER WAS?" Und noch ehe ich schauen kann, kracht seine Faust auf meine Oberlippe und Nase. Rot breitet sich aus wie eine feine Wolke aus Dunst. Tränen schießen in meine Augen. Auf meiner heißen Oberlippe schmecke ich das Blut. Ich taumle nach hinten, da kommt sein Fuß von unten und trifft meine Eier. Ich krümme mich. Ich schreie. Mir wird sehr schlecht und ich möchte kotzen. Da trifft mich an der Seite, in die Hüfte der nächste. Ich kippe zur Seite. Ich versuche die Hände vor meine Kopf zu bekommen. Ich versuche mich, so klein wie möglich zu machen. Ich will, dass sie aufhören. Ich will, dass sie aufhören auf mich einzutreten. Da trifft mich schon wieder was ins Kreuz. Einer steht hinter mir und tritt immer wieder auf die selbe Stelle. Ich darf mich nicht bewegen. Ich darf die Hände nicht vom Gesicht nehmen. Ich darf mich nicht bewegen. Da schreit der ein "ACHTUNG!" Krachend landet er auf meinem Kopf. Die machen keinen Spass mehr. Die drehen richtig durch, oder? Die springen mir auf den Kopf. Ich muss was tun. Die wollen mich umbringen. Die treten auf mich ein. Die hören gar nicht auf. Warum hören die nicht auf. Warum treten die noch immer. Wie die Irren können die gar nicht mehr aufhören. Scheiße, scheiße, scheiße. Warum bin ich denn nicht andersherum gegangen. So eine Scheiße. Warum bin ich den bloß nicht andersherum gegangen. Ich muss was tun. Der eine tritt immer wieder auf meine Hände vor meinem Gesicht. Ich spüre die schon gar nicht mehr. Ich muss was tun. Warum kann ich meine Hände nicht mehr bewegen? Wo sind meine Hände?Ich muss schreien. Ich muss mich wehren. Ich muss aufstehen. Ich will nach hause zu meiner Frau. Ich will meine Tochter auf die Stirn küssen und ihr sagen, dass Papa zu hause ist. Ich will mich auf den Balkon setzen und ein Bier trinken. Ich will die Hand von meiner Frau in meiner spüren und unsere Tochter, wenn sie nachts in unser Bett krabbelt und zwischen uns liegt. Ich will ihr sagen, dass alles gut ist und das sie keine angst haben muss. Nein die Hexe ist nicht im Zimmer. Nein, Papa hat sie weggezaubert. Ich will versprechen, dass ich mit ihr morgen ans Planschbecken gehe. Ich will, dass diese Wichser endlich aufhören. Ich wi..."
Während drei der Täter wie besinnungslos auf das Opfer eintraten,
grub ein Vierter aus der Begrenzung des Kieswegs einen Pflasterstein und
ließ diesen mit großer Wucht auf den Schädel des Opfers
herabfallen. Der Mann war sofort tot.
Die vier jungen Männer verbrachten den toten Leichnam in eine nahegelegenes
Gebüsch. Danach gingen sie zu einem der Täter und setzten ihr
Saufgelage fort. Zeugen hatten die Männer dabei beobachtet, wie sie
den toten Körper des Opfers davon schleppten und konnten so der Polizei
einen entscheidenden Hinweis geben.
Als Tatmotiv gaben die vier Tatverdächtigen bei ihrer Festnahme Fremdenhass
und Hass auf Schwarze an.
Und jetzt?
Folgt.